Nationalpolitik Wie die großen Parteien dramatisch an Mitgliedern verlieren

Der Niedergang der Großen Volksparteien.

In diesem Beitrag wird die Entwicklung der Mitgliederzahlen der großen Deutschen Parteien betrachtet. Dabei wird der Zeitraum seit der Wiedervereinigung 1990 und dem Jahr 2016 betrachtet. Der Zeitraum entspricht ca. 25 Jahre, also etwa ein viertel Jahrhundert.

Tabelle: Entwicklung der Mitgliederanzahl der großen Volksparteien seit 1990 in Deutschland.

Partei Anzahl 1990 Anzahl 2016 Entwicklung in %
CDU 790000 431000 -43%
SPD 943000 433000 -55%
Linke 281000 59000 -79%
Grüne 41000 62000 +51%
FDP 168000 54000 -68%
CSU 186000 142000 -24%

Anmerkung: Die Piratenpartei und die AfD sind in dieser Betrachtung nicht berücksichtigt, da diese erst in den letzten Jahren gegründet wurden. Die Einzige Partei, die seit 1990 einen Zuwachs an Mitgliedern verzeichnen konnte sind die Grünen. Einen besonders großen Verlust hat die Linke zu verzeichnen. Die Linke hat ihren Verlust aufgrund der Wende 1990/91 zu verdanken. Nach dem Fall der DDR war eine linke Partei (damals PDS) nicht mehr so angesagt. Die Linke verlor seit der Wende fast 80% ihrer Mitglieder. Ein ähnliches Schicksal in einer ähnlichen Größenordnung hat die FPD zu verkraften. Hier hat die Partei fast 70% ihrer Mitglieder verloren. Die SPD verlor in 25 Jahren mehr als die Hälfte ihrer Mitglieder. Das entspricht knapp 510000 Personen. Bei der CDU ist der Mitgliederverlust nicht ganz so stark aber mit 359000 trotzdem sehr hoch.

 

Was macht ein Parteimitglied eigentlich?

Parteimitglieder dienen als Bindeglied zwischen einer Regierung und dem Volk und dem Wähler. Als Parteimitglied hat man die Möglichkeit bei der politischen Ausrichtung einer Partei mitzuwirken. Die meisten Mitglieder finden sich in der Parteibasis wieder. Hier gibt es diverse Aufgaben zu erledigen, wie bspw. das Organisierung von Parteiauftritten und Parteiversammlungen, Wahlparties, und allgemeine Öffentlichkeitsarbeit in Form von Wahlinformationsveranstaltungen und die Kommunikation der Partei mit den Menschen. Als Mitglied zahlt man zudem ein Mitgliedsbeitrag um die Partei auch finanziell zu unterstützen. Als Parteimitglied stellt sich also weniger die Frage, was die Partei mir geben kann, sondern was ich für die Partei tun kann, damit diese bei Wahlen möglichst erfolgreich ist. Die meisten Mitglieder von Parteien sind in Orts-, Kreis- und Landesverbänden organisiert und unterstützen die Partei dabei lokal vor Ort. Parteimitglieder an der Basis debattieren zudem gern über bestimmte Themen und haben idealer weise ähnliche Ansichten (sonst wären Sie ja nicht in der selben Partei).

Ursachen für den Mitgliederschwund

Eine der wesentlichen Ursachen für den Verlust von Parteimitgliedern ist die Politikverdrossenheit der Bevölkerung. Viele Menschen fühlen sich nicht mehr durch große Parteien und deren Parteiprogramme vertreten und sehen eine Mitgliedschaft eher kritisch. Gleichzeitig gibt es eine stärkere Verteilung der Mitglieder auf kleinere Parteien. Mitglieder wandern mitunter auch zwischen den Parteien. Je mehr Konkurrenz es unter den Parteien gibt, desto weniger Mitglieder hat jede Partei, weil sich die Mitglieder auf mehr Parteien verteilen. Ein Beispiel hierfür ist die AfD, die eine ganze Reihe Mitglieder etwa von der CDU aber auch den Linken abgesaugt hat.

Ein zweiter wichtiger Grund ist die Überalterung der Mitglieder. Es sterben mehr alte Mitglieder von Parteien, als junge neue in die Parteien eintreten. Früher war es mehr verbreitet, dass Menschen sich als Mitglieder in Parteien organisierten. Heute ist es eher seltener, dass junge Menschen in eine bestimmte Partei eintreten.

Angleichung der Parteiprogramme. Früher gab es eine klarere Trennung zwischen den Parteien. In vielen Fragen kann man heute kaum noch genau sagen, welche Haltung welche Partei zu einem bestimmten Thema einnimmt. Oft haben mehrere Parteien fast die gleiche Haltung zu bestimmten Fragen, formulieren diese nur anders. Ein Beispiel ist etwa der Atomausstieg. Ein klassisches Thema der Grünen, welches am Ende aber die CDU-Regierung für sich beansprucht hat und auch beschlossen hat. Die CDU hat quasi ein Thema der Grünen weggenommen. Gleichzeitig hat man damit die klassischen CDUler, von denen viele für den Weiterbetrieb von Atomkraftwerken waren ignoriert. Auch dadurch verliert eine Partei Mitglieder, weil man sich durch die eigenen Parteivorsitzenden nicht mehr vertreten fühlt, wenn man plötzlich einen politischen Umschwung durchführt und Themen aus anderen Parteien übernimmt. Das mag zwar kurzfristig zusätzliche Wähler bringen, aber das alteingesessene Mitglied fragt sich dann mit unter schon was das soll.

Ein weiterer nicht unerheblicher Grund ist, dass sich Parteien nicht mit der Entwicklung der Gesellschaft mitentwickeln, oder zumindest nicht so schnell. Unter vielen Menschen, besonders den jungen Menschen gelten Parteien daher eher als veraltet. Wenn ich an die CSU denke sehe ich einen dicken alten Mann in einem Bayerischen Bierzelt mit einer Maß in der Hand an einem Tisch sitzen und Horst Seehofer zujubeln. Viele Politiker versuchen dagegen anzukämpfen, indem sie bspw. soziale Medien (etwa Twitter, Facebook usw.) zur Kommunikation benutzen um damit auch junge Menschen in sozialen Netzwerken zu erreichen. Die Parteien möchten sich als modern präsentieren. Im heutigen Informationszeitalter fließen Informationen im Sekundentakt. Gleichzeitig werden viele politische Themen aber immer komplexer und schwieriger zu deuten. Für eine Partei wird es damit auch immer schwieriger eine einheitliche Meinung bei der Parteiführung und bei der Parteibasis zu entwicklen. Oder anders gesagt aufgrund der Komplexität der politischen Themen und Konstellationen, etwa die Finanzkrise 2008, die bis heute nicht gelöst ist, haben mehr Menschen unterschiedliche Meinungen, die immer schwerer unter einen Hut zu bringen sind. Eine gemeinsame Schnittmenge von Meinungen und politischen Haltungen zu finden scheint dabei immer schwieriger zu werden. Auch dadurch wenden sich Menschen ab.

Als weiterer Grund sehe ich das Kosten-Nutzen-Verhältnis. Was bringt mir eine Parteimitgliedschaft überhaupt? Sie können sich ja mal selbst fragen. Was glauben Sie würde Ihnen eine Parteimitgliedschaft bringen? Mir fällt die Antwort relativ schwer. Wenn ich daran denke, dass ich als Parteimitglied mehr Einfluss auf politische Entscheidungen habe, bin ich zumindest schonmal an der falschen Adresse. Als Parteimitglied hab ich prinzipiell erstmal nicht mehr politische Entscheidungskraft als ein normaler Wähler. Die Meisten Parteimitglieder machen Wahlkampf für Ihre Vorsitzenden und organisieren Auftritte usw. Ich arbeite praktisch für den Erfolg eines anderen.

Ich kann allerdings versuchen innerhalb einer Partei aufzusteigen, sozusagen Karriere zu machen. Da die Posten weiter oben aber alle besetzt sind, dauert der Aufstieg lange Zeit. Damit ich aufsteigen kann, müssen andere ihren Platz räumen. Ich muss nicht nur kluge Vorschläge machen, sondern benötige auch eine Förderer, der in mir eine Zukunft sieht und mich auf dem Weg nach oben unterstützt. Beispielsweise wie bei Helmut Kohl und Angela Merkel. Angela Merkel war für Helmut Kohl immer die kleine „Ziehtochter“ der CDU. Ohne Förderung ist ein Aufstieg kaum möglich. Man weiß nie welche Personen sich am Ende durchsetzen und hocharbeiten werden. Man muss mit allen möglichen Konstellationen rechnen und sich mit möglichst vielen Menschen sowohl in der Parteibasis als auch in den Parteiämtern gut stellen. Ein Aufstieg in einer Partei ist mühsam und ggf. mit vielen Intrigen verbunden. Die Chance zu scheitern ist relativ groß. Ein Aufstieg eines Mitglieds bedeutet auch immer, dass andere Mitglieder nicht aufsteigen können. Konflikte und Machtkämpfe an der Basis sind dabei vorprogrammiert. Innerhalb einer Partei gibt es mitunter einen rabiaten Machtkampf verschiedener Lager. Entscheide ich mich für ein Lager aufgrund meiner politischen Überzeugung oder aufgrund von machstrategischen Möglichkeiten erfolgreich aufsteigen zu können. Eine schwierige Frage. Es gibt dafür auch Beispiele aus der Vergangenheit von Politikern, die als Parteimitglieder einen steilen Aufstieg erlebt haben, aber dann auch wieder ganz schnell abgestürzt sind. Wir erinnern uns an Personen wie Friedrich Merz oder Norbert Röttgen, die von Angela Merkel abgewatscht worden sind, weil sie eine Konkurrenz für sie darstellen hätten können. Stattdessen baute Merkel ihr Kabinett so um, dass sie immer von loyalen Gefolgsleuten umgeben war. Menschen mit eigenen Gedanken und abweichenden Ansichten sind da eher nicht willkommen. Die politische Karriere kann in einer Partei ziemlich schnell vorbei sein. Was dann? Parteien funktionieren relativ starr nach einem Hierarchieprinzip. Es gibt kaum Möglichkeiten als Quereinsteiger irgendwo Fuß zu fassen oder schnell aufzusteigen, da die Plätze und Ämter ja alle belegt sind. Als Parteivorsitzenden kann es nunmal nur einen geben. Warum eigentlich? Warum kann nicht ein Team von Menschen mit speziellen Fachkompetenzen auftreten und auch Wahlkampf machen? Im Fussball funktioniert das ja auch.

All diese Dinge würden mich eher abschrecken in eine Partei einzutreten. Ich glaube sehr vielen Menschen geht es ähnlich. Ein Aufstieg in einer Partei ist mühsam, er dauert lange und kann mitunter schnell vorbei sein. Gleichzeitig muss man anderen Menschen auf dem Weg nach oben weh tun. Besonders einladend wirkt das nicht. Man kann sagen, dass jemand, der sich dieser Herausforderung erfolgreich stellt und sich tatsächlich durchsetzt, auch hoch angesehen werden kann. Jemand der das schafft, kann als durchsetzungsfähig, zielorientiert und ausdauernd betrachtet werden. Alles positive Eigenschaften. Gleichzeit kann man ihn aber auch als rücksichtslos, egoistisch oder mitunter aggressiv betrachten. Es kommt darauf an wie politisch glaubwürdig man ist und wie gut man seine Arbeit verkaufen kann. Rhetorik und äußeres Auftreten ist hier besonders wichtig. Gute Politiker sind auch immer gute Schauspieler.

 

Was beutet ein Verlust von Mitgliedern für eine Partei

Praktisch gesehen bedeutet das erstmal einen Finanzverlust. Die Finanzierung von Parteien durch den Staat hängt auch von der Anzahl der Mitglieder ab. Weniger Mitglieder bedeuten auch weniger Einnahmen der Partei. Anders herum profitieren neue Parteien hingegen davon. Eine neue Partei, die viele Mitglieder direkt hat kann sich erstmal finanzieren und die Finanzen zur Gewinnung neuer Mitglieder verwenden. Im Prinzip ähnlich wie bei einer Firma die neue Kunden gewinnen will und dazu eine Investition bekommt. Einer solchen Partei gibt das am Anfang erstmal einen gewissen Schub. Nicht nur finanziell, sondern auch moralisch. In der komplexen Realität der Tagespolitik erstmal angekommen ändert sich das bei den meisten Parteien jedoch relativ schnell. Aufgrund von partei-internen Machtkämpfen oder Bekanntwerden von Skandalen zersetzen sich neue Parteien oft schnell – siehe Piratenpartei. Eine Ausnahme bildet hier zur Zeit noch die AfD, die sich bereits seit 2013 in Deutschland als Protestpartei festgesetzt hat. Die Partei verzeichnet einen kontinuierlichen Zuwachs von neuen Mitgliedern. Aber auch der Zustrom neuer Mitglieder reißt irgendwann ab, da natürlich die Bevölkerung begrenzt ist und damit auch die Anzahl potenzieller Mitglieder limitiert ist. Wenn der Zugewinn von Mitgliedern ausbleibt, stagniert auch die Finanzierung der Partei. In diesem Moment müssen sich Parteien andere Finanzierungsquellen suchen, um zu wachsen, etwa Parteispenden aus der Wirtschaft und Industrie, Spenden aus dem Ausland oder prominente Unterstützer. Randparteien und Nischenparteien tun sich hierbei oft sehr schwer. Wie es hierbei der AfD einmal ergehen wird, bleibt abzuwarten.

 

Fazit:

Die Entwicklung der Mitgliederzahlen der Parteien zeigt, dass alle großen Parteien einen Mitgliederschwund haben (mit Ausnahme der Grünen). Es ist festzustellen, dass die Anzahl an Menschen die sich in einer Partei engagieren in den letzten 25 Jahren massiv abgenommen hat. Waren es 1990 noch insgesamt 2409000 Mitglieder in den großen Parteien so gab es 2016 nur noch insgesamt 1181000 Mitglieder. Die Mitgliederanzahl aller Parteien zusammen hat sich mehr als halbiert.

Einen kleinen Lichtblick gibt es bei der SPD. Seit Bekanntgabe der Kanzlerkanditatur von Martin Schulz für die Bundestagswahl 2017 gab es wieder mehr Neueintritte für die SPD als Austritte. Ob das eine Trendwende einleitet oder nur ein Kurzfeuer ist bleibt abzuwarten. Zumindest scheint es so, als ob Martin Schulz den Mitgliederschwund der SPD vorübergehend erstmal stoppen konnte. Meistens ist es in der Politik aber so dass nach einem Höhenflug auch wieder die Ernüchterung kommt.

Quellen

  1. https://www.bpb.de/politik/grundfragen/parteien-in-deutschland/138672/mitgliederentwicklung-cdu-und-spd
  2. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/192239/umfrage/mitgliederentwicklung-der-fdp/
  3. https://de.wikipedia.org/wiki/Alternative_f%C3%BCr_Deutschland

 

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